Die Siedlungsgeschichte der Mark Brandenburg
Die Siedlungen der sich in der Mark niederlassenden Ritter sind die heutigen Rittergüter, die zum größten Teile selbstständige Gutsbezirke bilden. Die Kolonisten wurden in den alten wendischen Dörfern oder in Neugründungen angesiedelt. Dieselben entstanden an einem Quell, Teich oder See inmitten der Gemeindeflur und wurden nach dem Unternehmer (z.B. Heinrichsdorf), nach der Umgebung (Buchholz), nach der verlassenen Heimat (Mansfeld) u.s.w. benannt. Für das erblich überwiesene Land hatten die Einwanderer einen Erbzins (Schuld, mittelhd. schult) an den Landesherrn zu entrichten, der von dem Unternehmer, dem „Schultheißen“, eingezogen wurde; zu Anfang blieben sie aber gewöhnlich 3-5 Jahre von ihm befreit, erhielten wohl auch Vorschuss an Reisegeld und Saatkorn. Mussten sie Wald roden, so bekamen sie Hufen von doppelter Größe und 16 Freijahre; die hier entstandenen Dörfer sind noch heute an ihren Namen, die auf „walde“ oder „hagen“ endigen, kenntlich. Der Schultheiß erhielt ein größeres Gut und war frei vom Erbzins und dem der Kirche zu entrichtenden Garben- und Fleischzehnt; dafür war er verpflichtet, dem Markgrafen für den Kriegsfall ein Pferd zu stellen und selbst als leicht bewaffneter Reiter mit ins Feld zu ziehen. Da er sein Gut also eigentlich nur als Lehen besaß, hieß er auch Lehnschulze. Zu seinen Pflichten gehörte endlich die niedere Gerichtsbarkeit und die Dorf- und Flurpolizei.
Die Dörfer zeigten in der Regel zwei gerade Straßen, die an den Enden im spitzen Winkel zusammenliefen und in der Mitte Kirche, Kirchhof und Dorfteich umschlossen. Den Häusern wurde die Form gegeben, welche die Ansiedler in ihrer Heimat kennen gelernt hatten. So verbreitete sich im nordwestlichen Teile der Mark bis zur Uckermark und südlich bis zur Havel und Spree das sächsische Haus ,im Südwesten dagegen die fränkische Hofanlage. Die Wenden, die sich im südöstlichen Teile bis in unsere Zeit unvermischt erhalten haben, schufen eine Hofform, die der fränkischen ziemlich ähnlich ist. Im Nordosten endlich lehnten sich die Ansiedler an die vorhandenen Formen an, und es entstand das ostdeutsche Haus. Die Not der zeit hat oftmals die Erbauer gezwungen, sich mit vereinfachten Anlagen zu begnügen. Besonders wirkte das auf die fränkische Hofanlage ein; sie erscheint dann als ein mit der Längsseite der Dorfstraße zugekehrtes Wohnhaus, dem sich hinterwärts ein parallel gestelltes Stall- und Scheunengebäude zugesellt.
Sehr viele der ehemaligen Dörfer sind in den Kämpfen der brandenburgischen Fürsten mit den Pommern und Polen zerstört worden; andere wurden ein Opfer der Hussiten oder verödeten und verfielen durch die Pest. Am furchtbarsten hauste unter ihnen der dreißigjährige Krieg. Brandenburg glich nach ihm an vielen Orten einer Einöde; auf Meilen fand man weder Menschen noch Haustiere. Die früheren Äcker bedeckten sich mit Wald. An solche untergegangenen Dörfer gemahnen heute noch die Feldmarken, welche als „Dorfstellen“ und „Wüstemarken“ bezeichnet werden (bei Belzig allein 65), sowie die „wüsten Kirchen“, die man hier und da in Trümmern auf freiem Felde antrifft, z.B. in der Uckermark und bei Drehna.
Auch Klöster wurden bei der Germanisierung der Mark in großer Zahl gegründet. Die ältesten derselben gehörten den Prämonstratensern. Die größte Bedeutung erlangten jedoch die der Zisterzienser, die „mit dem Kreuz in der Linken, mit Axt und Spaten in der rechten, lehrend und ackerbauend, bildend und heiligend“ wirkten und in ihren Kirchen meist herrliche Denkmale der Baukunst hinterlassen haben. In den Städten entstanden die Klöster der Franziskaner („graue Mönche“), Dominikaner („schwarze Brüder“) und Augustiner. Nach Einführung der Reformation wurden sie aufgehoben. …
In der Zeit zwischen 1220 und 1300 entstanden die meisten Städte der Mark. Viele ginge aus wendischen Dörfern hervor, andere bildeten sich um eine Burg oder ein Kloster, manche wurden neu gegründet. Sie sollten Verkehrsmittelpunkte und Zufluchtsstätten der Ansiedler sein. Auch hier erhielten diese bestimmte Hufen zugewiesen; auch hier übte, wie auf dem Dorfe der Lehnschulze, anfangs der markgräfliche Vogt die niedere Gerichtsbarkeit und die Polizei aus. Später gingen diese Rechte auf den rat, der sich aus Bürgermeistern (Konsuln) und Ratsherren (Senatoren) zusammensetzte, über. Zum Schütze gegen Feinde umgab man sie mit Mauer, Wall und Graben. Vom Landesherrn wurden ihnen bestimmte Rechte zugesichert, als deren Zeichen manche einen Roland errichteten. So durften die Bewohner Handel und Gewerbe treiben und sich zu Zünften und Gilden vereinigen; vor allem besaßen die Städte die Marktgerechtigkeit.
Die Wohnhäuser lehnten sich in ihrer Form an die Typen der Bauernhäuser. Es entstanden aber auch Mischformen, die durch den Giebeleingang mit dem sächsischen, durch den Wirtschaftshof mit dem fränkischen zusammenhingen, wozu sich später noch die heute herrschende vereinfachte fränkische Hofanlage mit der Längsfront an der Straße gesellte. Sie bildeten, eng zusammenstehend, rechtwinklige Viertel, zwischen denen Straßen nach den Toren und dem Marktplatze führten. Auf dem letzteren stand das meist stattliche und kunstvolle Rathaus mit den gemeinsamen Verkaufshallen der Zünfte, den Scharren. Auf anderen freien Plätzen erhoben sich die Kirchen, unter denen viele noch jetzt unsere Bewunderung erregen. Vor den Toren errichtete man Spitäler für die Wanderer, die deren Beschützerin, der heiligen Gertrud, geweiht waren, und für die mit ansteckenden Krankheiten Behafteten, die man nach dem heiligen Georg, dem Schutzheiligen der Kreuzfahrer, durch welche der Aussatz nach Deutschland gebracht worden war, benannte. Die Verbrecher wurden auf den Galgenbergen hingerichtet. ….
Im 16. Jh. hörten die Städte auf, wehrhafte Festen zu sein; der Schutz der Mark wurde den Landesfestungen übertragen. Seitdem gerieten die Mauern an vielen Orten in Verfall.
Quelle: Beuermann/Heinze: Landeskunde Preußens: Die Provinz Brandenburg, Verlag Spemann, Berlin & Stuttgart 1901