Cottbusser Stadtverwaltung hat kein Interesse an der Stadtgeschichte

„Wer die Vergangenheit liebt, der liebt eigentlich das Leben. Die Gegenwart bleibt flüchtig, selbst wenn ihre Fülle sie ewig erscheinen läßt. Liebt man das Leben, so liebt man die Vergangenheit, denn die Eindrücke der Gegenwart bestehen in der Erinnerung fort.“

Jean Paul (1763 – 1825), eigentlich Johann Paul Friedrich Richter, deutscher Dichter, Publizist und Pädagoge

Cottbus. Genealogische Gesellschaft fordert die Einbindung der Ausgrabungen in die Umgestaltung des Oberkirchplatzes.
Von Peggy Kompalla

Rund um die Oberkirche wird derzeit Stadtgeschichte ans Licht geholt. Denn bevor die Bauarbeiter neues Pflaster für den Platz verlegen, erforschen die Archäologen den Untergrund. Dabei haben sie unter anderem das Fundament der einstigen Lateinschule – des späteren Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums – freigelegt. Die Brandenburgische Genealogische Gesellschaft „Roter Adler“ fordert, dass die Mauerreste in die Umgestaltung des Oberkirchplatzes einbezogen werden. Die Stadt gibt diesem Vorstoß aus Kostengründen eine Abfuhr, hat aber einen eigenen Kompromiss gefunden.

Der Vorsitzende der Gesellschaft, Gerd-Christian Treutler, argumentiert: „Hier besteht die einmalige Möglichkeit, die Bedeutung des Ortes als geistiges Zentrum der Niederlausitz lebendig zu erhalten.“ Dabei bezieht er sich im Besonderen auf die Lateinschule, die einst direkt neben der Oberkirche stand und bereits im Mittelalter gegründet worden war. Im Volksmund und der Wissenschaftswelt sei die Schule als Wendische Universität bekannt gewesen. „Sie war die einzige höhere Schule in der Niederlausitz, die Studenten an Universitäten schicken konnte“, erklärt Treutler. Zu ihnen gehörte neben dem Australienforscher Ludwig Leichhardt auch der Landschaftsmaler Carl Blechen. Das Schulhaus, von dem nach einem Feuer im Jahr 1945 nur die Fundamente im Erdboden erhalten sind, sei die Brücke aus der Vergangenheit zur heutigen Universitätsstadt.

Diese Geschichte sollte lebendig erhalten werden. Das sei nicht allein mit Plaketten getan. „Fundamentreste wie Gebäudeecken, Kellerräume, aber auch Stufen und Treppen oder die alte Kopfsteinpflasterstraße sollten begehbar erhalten werden“, sagt der Gesellschaftsvorsitzende. Plaketten und Informationstafeln seien eine gute Ergänzung. „Die Mauern und Treppen aus den Grabungen könnten als Sitzgelegenheiten genutzt werden.“ Diese Geschichte zum Anfassen könnte mit der Erinnerung an bekannte Persönlichkeiten verbunden werden – wie mit dem geplanten Leichhardt-Denkmal. Als gelungenes Beispiel einer solchen lebendigen Platzgestaltung nennt Gerd-Christian Treutler die Stadt Magdeburg. „Besonders beim Domplatz sind die Ausgrabungsbefunde wunderbar plastisch einbezogen worden.“

Dem Erhalt der Funde auf die vorgeschlagene Weise erteilt die Stadt jedoch eine Abfuhr. Rathaussprecher Jan Gloßmann sagt: „In der Form ist das finanziell nicht darstellbar.“ Soll heißen: Es wäre zu teuer. In dem Atemzug erinnert daran, dass das Projekt bereits abgespeckt werden musste. Die Baubetriebe riefen in der Ausschreibung deutlich höhere Beträge für die Arbeiten auf, als die Stadt für die Umgestaltung geplant hatte. Der Stadtsprecher ergänzt: „Eine Umsetzung der Idee würde zudem den Zeitplan sprengen und wäre nicht barrierefrei.“ Der Erhalt der Fundamente würde auch der bisherigen Nutzung des Platzes als Veranstaltungsort für Wochenmarkt und Feste widersprechen.

Nichtsdestotrotz habe die Stadt gemeinsam mit den Planern eigene Ideen entwickelt, um die Vergangenheit zu zeigen. „An die alte Lateinschule wird mittels eines Messingbandes erinnert, das in das Pflaster eingebaut wird und die Außenmauern des Gebäudes markiert“, erklärt Gloßmann. Im Herbst werde es Abstimmungen dazu geben, welcher Schriftzug auf das Messingband kommt. In dem Zuge werde auch über die Inschrift für das Leichhardt-Denkmal befunden und wie mit der Gedenktafel für den Forscher umgegangen wird, die derzeit am Haus Oberkirchplatz 6 angebracht ist.

Die Genealogische Gesellschaft erinnert an verpasste Chancen in Cottbus. Dazu gehöre die Umgestaltung des Altmarktes. „Die damals freigelegten Reste des alten Rathauses wurden nicht sichtbar erhalten, obwohl es konkrete Vorschläge dazu gab“, sagt Treutler. Ebenso bedauerlich sei der Umgang mit dem mittelalterlichen Ziegelbrennofen an der Mühlenstraße gewesen. Er wurde wieder eingegraben, ein archäologisches Fenster verworfen.

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